Vielleicht kennst du das. Du sollst vor einer größeren Gruppe sprechen und weißt schon im voraus, dass Deine Stimme nicht laut genug sein wird, um den Raum auszufüllen und die Zuhörer in den hinteren Reihen zu erreichen. Mit diesem Gefühl trittst Du dann vor Deine Gäste und sagst zu Dir selbst leise: „Ich kann einfach nicht so laut sprechen. Ich bin halt einfach eher introvertiert und leise. Und ich will meine Persönlichkeit auch nicht verbiegen, nur um lauter zu sprechen!“

Ist Dir „Sister Act“, der wunderbare Film mit Whoopi Goldberg aus dem Jahr 1992 noch in Erinnerung? Legendär die Szene, als Whoopi ihre schüchterne Kollegin im Nonnenchor motiviert, ihre Stimme zu befreien. Und dem zurückhaltenden Mädchen Töne entlockt, die klangvoll im ganze Kirchenschiff widerhallen.

Dieses Bild will ich heute aufgreifen und Dir die Sprechtechnik dahinter verständlich machen. Und gleichzeitig aufzeigen, wie Du mit dem Echo-orientierten Sprechen klangvoll und stimmlich überzeugend auftreten kannst, ohne Deine Persönlichkeit zu verleugnen.

Kannst Du als sensibler Mensch laut und raumfüllend sprechen?

Echo-orientiertes Sprechen ist eine Technik von Profisprechern, die dazu dient, die Stimme voller, lauter und überzeugender klingen zu lassen. Dabei lässt Du die Vokale Deiner Worte etwas länger klingen, indem Du während des Sprechens den Nachhall Deiner Stimme abwartest. Diese Technik ist besonders hilfreich, wenn Du Dich zu den eher introvertierten Menschen zählst und manchmal den Eindruck hast, Deine Stimme sei zu leise.

Raumfüllendes oder Echo-orientiertes Sprechen ist jenes Stilmittel, das viele der bekanntesten Studiosprecher anwenden, um ihrer Stimme das ganz besondere Timbre zu verleihen.

Mit der Nachhall-Orientierung Deiner Stimme schaffst Du es:

  • auch die hintersten Zuhörer Deiner Präsentation mühelos zu erreichen, ohne laut zu sprechen
  • Deiner Stimme einen vollen, warmen und sonoren Klang zu verleihen
  • Den Themen Deiner Präsentationen noch mehr Wirkkraft zu verleihen

Ist es vielleicht besser, extrovertiert zu sein?

Oftmals scheint es, dass der Lauteste die Aufmerksamkeit bekommt. Wenn Du als eher introvertierte Person jedoch dennoch Gehör finden willst, solltest Du nicht versuchen, den Extrovertierten nachzueifern. Vielleicht hast Du ohnehin bereits erlebt, dass der Versuch, absichtlich „laut“ zu sprechen, schnell die Stimme ermüdet und erst recht zu einer flachen oder monotonen Rede führt.

Die eigenen Stärken nutzen

Lass uns also die besondere Stärke der Introversion nützen: Deine Empfindsamkeit. Mit dieser besonderen Sprechtechnik nutzt Du Deine Fähigkeit zum Zuhören und Dein Gespür für Zwischentöne. Du wirst all das einsetzen, damit Deine Stimme mit der Umgebung in Resonanz geht und einen starken Klang erzeugt, der sich überträgt. Und es wird Dir helfen, eine wohlklingende Stimme zu bewahren, anstatt sich anzustrengen, um laut zu sein.

Erst einmal angewandt, wird Dir das echoorientierte Sprechen erlauben, auch in größeren Räume mühelos ohne Verstärkung zu sprechen. Du vermittelst dadurch Deine Anliegen und Themen mühelos und klangvoll, ohne Kraft aufzuwenden. Du vermeidest dabei den negativen Effekt, den die Bemühung „laut“ zu sprechen besonders für eher introvertierte Menschen mit sich bringt. Anstatt zu schreien oder Deine Stimme zu strapazieren, kannst du deine Botschaft auf angenehme und natürliche Weise vermitteln.

Erste Schritte um den Raumklang Deiner Stimme erleben

Um die Technik des echoorientierten Sprechens zu erlernen, solltest du zunächst in einem leeren Raum mit guter Akustik üben. Das kann ein langer Gang in der Wohnung sein, eine große leere Halle, ein Treppenhaus oder auch Dein Badezimmer.

Wenn du dich also an einem Ort mit gut hörbarem Nachhall befindest, beginne mit einem einzelnen Vokal:

  • Sende mit geführtem Atem ein langgezogenes „e“ in den Raum und lausche währenddessen dem Nachhall Deiner Stimme
  • Reduziere nun deutlich die Lautstärke. Stelle Dir vor, Dein hauchzartes „eee“ tönte gerade so leise oder laut, dass es eine feine Klangkugel um Deinen Kopf herum bilden kann
  • Vergrößere nun mit geschlossenen Augen und gespitzten Ohren beim nächsten langgezogenen „eee“ diesen klingenden „E“-Raum.
  • Wiederhole die Übung behutsam, bis Du hörst, wie der Klang Deiner Stimme nun aus den verschiedenen Himmelsrichtungen des Raums an Deine Ohren zurückkehrt.

Erlebe dabei, wie Deine Stimme an Volumen, an Tragkraft und an Klarheit gewinnt.

Wie kann dabei ein angenehmer, voller Ton entstehen?

Um zu verstehen, weshalb sich der Stimmklang verändert, wenn Du während des Sprechens in den Raum horchst und lauschst, lass uns als erstes die Rolle des Gehörs beim Sprechen betrachten.

Dir ist wahrscheinlich bewusst, dass Deine beiden Ohren beim Sprechen mithören. Sobald Deine Stimme erklingt, landet der Ton nach wohl kaum fünfzehn Zentimeter an Deinem Trommelfell. Der Ton, der sogenannte Primärschall, muss also nicht laut sein, um von uns selbst erfasst zu werden.

Wo immer Du Dich gerade befindest, wenn Du sprichst, gelangt der Ton in Deine Umgebung und wird von dort mehr oder weniger deutlich an Deine Ohren zurück reflektiert. Dieser Nachhall ist gegenüber dem Primärschall deutlich abgeschwächt.

Wenn Du jetzt zu den eher introvertierten Zeitgenossen gehörst, hat sich Dein Gehör im Lauf des Lebens daran gewöhnt, mit dem leisen Primärschall Deiner Stimme zufrieden zu sein. Eine Gewohnheit ist entstanden – und Du denkst, Deine Stimme sei einfach zu leise.

Von Extrovertierten lernen, ohne sie zu imitieren

Vielleicht fragst Du Dich jetzt: Was läßt eigentlich die Extros lauter klingen? Ist es nur die aktivere Körpersprache, die ausdrucksstärkeren Gesten, oder gibt es noch etwas anderes?

Es ist ihr deutlicherer Wunsch, aus dem Raum und von den Umstehenden Bestätigung zu erhalten. Sie sprechen daher deutlich raumorientiert.

  • Ihre Ohren, könnte man sagen, warten mit der Freigabe des nächsten Stimmlauts solange ab, bis der Nachhall des vorigen zum Ohr zurück gekommen ist.
  • Die klingenden Laute der Sprache, insbesondere die Vokale, dauern dadurch ein klein wenig länger. Der Vokalraum wird gedehnt, wie das in der Fachsprache heißt.

Der Körper muss dabei etwas mehr Energie einsetzen. Und schon wächst das Klangvolumen der Stimme, die Stimme vibriert im Raum.

Echoorientiertes Sprechen: Mit der Litanei beginnen

Zurück zu Whoopie Goldberg und der Filmszene im langen und hohen Kirchenschiff. Denn jetzt ist es an der Zeit, die neu erworbene Technik nicht nur wie oben auf einzelne Vokale, sondern beim Sprechen anzuwenden.

Wer schon einmal in einem ähnlich großen und halligen Raum gesprochen hat, kennt den Effekt, der entsteht, wenn Du die einzelnen Vokale eines Wortes lange dehnst. Es klingt wie eine übertrieben gesprochene Litanei.

Meinen Kunden empfehle ich, für den folgenden Trainingsschritt die Zählworte „einundzwanzig, zweiundzwanzig“ etc. zu verwenden:

  • dehne jeden einzelnen Vokal dieser Worte lange aus, bevor Du zum nächsten Laut wechselst. Das wird dann so klingen: „aaaaiiiinuuuundzwaaaanziiiich, zwaaaaiiiiuuundzwaaaanziiiich“ usw.
  • Besonders wirkungsvoll ist die Übung, wenn Du während des Sprechens die Augen schließt, um Deinem Gehör volle Aufmerksamkeit zu schenken.
  • Achte dabei genau auf den Nachhall Deiner Stimme und stell Dir vor, dass Du von diesen Klängen umgeben bist.

Sprich nun ein paar Sätze mit der gleichen Langsamkeit und Intensität und beobachte genau, wie sich der Klang, die Kraft und die Klarheit Deiner Stimme im Raum ausbreitet.

Mit klangvoller Stimme zu mehr Wirkung

Echoorientiertes Sprechen ist eine ideale Technik für Menschen, die sich auf der Bühne als introvertiert oder unsicher erleben und vermeiden wollen, durch angestrengt lautes Sprechen die Zuhörer zu ermüden und die eigene Stimme zu belasten.

Wenn du bereit bist, Deine Redefähigkeiten auf die nächste Stufe zu heben, ist das echoorientierte Sprechen eine unschätzbare Technik, dank der Du mit ein wenig Übung Deine Stimme ohne Anstrengung voll und kraftvoll klingen lässt, mit einer angenehmen Resonanz. Dein Publikum wird Deine selbstbewusste Haltung zu schätzen wissen und Dir mit offenen Ohren begeistert zuhören.

Viel Spaß und Erfolg beim Testen und Anwenden dieser Anregungen und Tipps!

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Dein Arno Fischbacher


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Der Autor:

Arno Fischbacher ist Business-Stimmcoach und Rhetorik-Experte, Redner und Autor. Er bereitet Führungskräfte und Mitarbeiter der Top-Unternehmen in Deutschland und Österreich auf Verhandlungen, Präsentationen und Medienauftritte vor. Fischbacher ist Autor mehrerer Bücher, Past-Präsident der German Speakers Association (GSA) Österreich, Vorstand des Europäischen Netzwerks der Stimmexperten, stimme.at.

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