Neulich im ICE von München nach Köln. Jeder Platz im Wagon ist besetzt. Die Fahrgäste lesen, telefonieren, plaudern oder arbeiten. Alle sind voll konzentriert. Die Tür des Großraumwagens öffnet sich. Der Schaffner erscheint. Er bleibt ruhig an der Tür stehen. Überblickt mit festem Blick den ganzen Wagon. Mit festem Stand und gerader Haltung. Gute eineinhalb Minuten verharrt er so. Dann spricht er. Die Stimme ist wie sein Stand, wie seine Haltung. Fest und klar. „Guten Morgen, die Fahrscheine bitte“ ertönt es laut und sicher durch den Wagon.
Ich schwöre, durch den ganzen Wagon ging ein Ruck. Konversationen stoppten, Blicke lösten sich von den diversen Laptops und Zeitungen und verhafteten sich auf der Gestalt an der Tür. Alle, alle begannen sofort nach ihren Fahrausweisen zu suchen und präsentierten sie wie ein Mann.
Fasziniert betrachtete ich dieses Szenario. Als Stimm- und Auftrittscoach war mir sofort klar, was hier vor sich ging. Der Mann hatte durch seinen Auftritt – den etwas anderes war es nicht – automatisch und auf sehr effektive Weise Autorität und Respekt erzeugt. Die Botschaft war bei den Fahrgästen eins zu eins angekommen. Alle suchten sofort ihre Fahrkarten heraus, auch die, die so weit weg saßen wie ich, und noch genug Zeit gehabt hätten, während der Schaffner sich seinen Weg durch den Wagen bahnte. Die kurzen Augenblicke, die dieser Zugbegleiter so an der Tür „verliert“ bringt er locker herein, weil er nicht jeden einzelnen Fahrgast ansprechen und aufrütteln muss, von seinem Handy, der Zeitung oder der Arbeit abzulassen. Eine geniale Taktik, ich zog in Gedanken den Hut vor diesem Mann.
Entweder ist er ein Naturtalent oder er hat eine Rednerausbildung oder ähnliches genossen. Denn nichts anderes machen wir professionellen Redner, wenn wir die Aufmerksamkeit unserer Zuhörer erhalten wollen. Wir kommen auf die Bühne. Nehmen einen festen Stand ein, verwurzeln uns. Und blicken auf unser Publikum. Ohne noch etwas zu sagen. Das ist auch die wirksamste Methode, um die Zuhörer zum Schweigen zu bringen und totale Aufmerksamkeit zu bekommen. Erst wenn uns alle anblicken, sprechen wir. Genau wie der Schaffner, der dadurch sofort die Aufmerksamkeit des gesamten Wagons erhielt!
Dieses Beispiel demonstriert wieder einmal, dass es nie nur um Stimme oder nur um Auftritt geht, sondern um die stimmige Kombination all dieser Elemente.
Haben Sie sich schon einmal gefragt, wie Sie in Ihrem Beruf natürliche Autorität entwickeln können durch die Art Ihrer Präsentation, Ihrer Wirkung? Nein? Dann möge dieser Blog Sie dazu inspirieren. Ich freue mich auf Ihre Ideen dazu im Kommentar oder per Mail an arno.fischbacher@stimme.at
Ihr
Arno Fischbacher
Eine wunderbare Alltagsgeschichte, die genau zeigt, was Souveränität bedeutet. Gut erzählt.
Hallo Arno,
schöne Geschichte, die ich sehr gut nachempfinden kann. Es wird so schön deutlich, wie Verhalten und Regeln für den Prozess zusammenwirken. Sein Verhalten in Verbindung mit dem Prozess der Fahrkartenkontrolle macht es am Ende aus. Das eine geht nicht ohne das andere, um eine gute Serviceleistung zu erbringen, ganz im Sinne meiner Gedanken zum Qnigge Prinzip, wenn Service klaren Regeln folgt und der Schaffner hat wichtige Verhaltensregeln beachtet und gleichzeitig seinen Prozess sehr effizient damit unterstützt. Deine Beobachtung ist für mich Inspiration, meine Wahrnehmungen auch aufzugreifen und zu verschriftlichen.
Danke und Gruß
Markus
Oft bemerke ich, dass auch ich im Alltag die schludrige Kommunikationsformen meiner Mitmenschen als gegeben nehme, so als ob ich mich dieser „Norm“ beugen müsste. Umso wichtiger erscheinen mir dann Positivbeispiele wie jener Schaffner. Das gibt mir einen innerlichen Ruck – ich sage dann in diesen Moment zu mir selbst: „Siehts Du, so geht es auch, gibt Dich nie wieder mit weniger zufrieden! Und tu Dein Bestes, diese Botschaft zu verbreiten.“
Danke, Gaby und Markus, für Eure beiden wertschätzenden Kommentare!