BLOG_MehrabianImmer wieder fragen mich Teilnehmer meiner Seminare und Trainings: „Wie ist das denn nun mit der bekannten Mehrabian-Studie? Stimmt sie nun oder stimmt sie nicht?“ Da hier wirklich viele verschiedene Meinungen herumschwirren, ist es mir ein Bedürfnis, dies aus meiner Sicht darzulegen:

Die Formel des US-Verhaltensforschers Albert Mehrabian aus den 1970er-Jahren betreffend die Bestandteile unserer Kommunikation lautet: Der Gesprächserfolg wird zu 7 Prozent vom Inhalt, zu 38 Prozent von der Stimme und zu 55 Prozent vom Aussehen beeinflusst.

Ich interpretiere diese Aussage vor dem Hintergrund moderner Gehirnforschung anders und sage: Es geht gar nicht um die Prozentanteile der Wirkung. Vielmehr, die Reihenfolge der Verarbeitung im Gehirn macht den ganzen Unterschied! Beim Telefonieren z. B. steht also die Stimme im Vordergrund, die die Inhalte transportiert. Und dieser Klang regt an und überzeugt, oder eben nicht. Hier gilt: Ihr erster Satz ist der Türöffner zum Gespräch. Ob Ihre Stimme Türen öffnet, ob sie in einer Präsentation überzeugt, das entscheiden einzig Sie, indem Sie im Gehirn alle Weichen auf Wohlgefühl, auf Wertschätzung stellen.

Dazu kommt: Außenreize werden von der Wahrnehmung radikal aussortiert. Wir sehen, hören, riechen, schmecken, ertasten unsere Umwelt. Und etwas in uns gleicht die Eindrücke sofort mit unseren inneren Programmen ab. Wichtig oder unwichtig? Nützlich oder entbehrlich? Alles, was nicht allerhöchste Priorität hat, das verschieben wir als als unterschwelliges Bauchgefühl in vage Regionen.

Wir müssen uns das so vorstellen: Zahlreiche Reize umwerben uns täglich. Unser Leben lang. Das Auto, das vorbeirast. Die E-Mail, die blinkend eintrifft. Der Kollege, der klopft. Der Kaffeeduft, der an die Pause erinnert. Und die Stimme, die gerade aus dem Telefon tönt. All das will wahrgenommen und verarbeitet werden. Das Gehirn minimiert diese Flut radikal und filtert auf Höchstleistungsniveau ohne Unterlass Informationen aus. Nur das, was übrigbleibt, wird von uns bewusst wahrgenommen. 24 Stunden täglich arbeiten diese Filter. Unsere Wirklichkeit tickt also völlig anders als in den Laborbedingungen, die Albert Mehrabian seinen Probanden bot. Im wahren Leben geht es, wenn wir gesprochene Worte hören, immer zuerst:

  • ums „Überleben“, dann
  • um die Prüfung der sozialen Aspekte wie Sympathie, Gefühle
  • oder Rangordnung und erst zuletzt
  • um die Worterkennung.

Das heißt: Zuerst verstehen wir das Wie, dann erst das Was. Es dauert beim Zuhören bemerkenswerte 0,25 Sekunden, bis der Sprachspeicher des Gehirns meldet: »Wort erkannt!«. Der Tonfall hat uns aber schonvorher gesagt, wie wir das Wort zu verstehen haben. Um in unseren Telefonaten, Gesprächen und Präsentationen zu überzeugen, gilt es also, diese 0,25 Sekunden sehr, sehr klug zu nutzen.

In meinem neuen Buch, das im September erscheinen wird, dreht sich so gut wie alles um diese 0,25 Sekunden. Interessierte können es hier schon vorbestellen.

Ihr
Arno Fischbacher