Vor wenigen Wochen wurden hier in meiner Heimatstadt Salzburg die jährlichen Festspiele eröffnet. Anlässlich der offiziellen Eröffnungszeremonie gaben sich auch heuer prominente Gäste und Gastredner ein Stelldichein in der Felsenreitschule, jener faszinierenden, in den Mönchsbergfelsen gehauenen Spielstätte.

Ich verfolgte die Eröffnung live auf dem Bildschirm. Die Auswahl der Eröffnungsredner war in den letzten Jahren öfter zum Politikum geraten, diesmal versprach der Name des Redners vor allem fundierte Analysen. Aber noch etwas anderes bewog mich, genau hinzuschauen und zu –hören. Ich empfinde es ungemein lehrreich, Redner und Rednerinnen zu beobachten und daraus meine Rückschlüsse zu ziehen. Die Erkenntnisse daraus teile ich regelmäßig mit meinen Seminarteilnehmern und Coaches.

In dieser Hinsicht war diese Eröffnungszeremonie äußerst ergiebig. Sie stand unter dem Motto des Ausbruchs des ersten Weltkrieges, dessen offizielle Kriegserklärung genau vor 100 Jahren erfolgte. Ein wichtiges, ein emotionales, ein brisantes Thema, dem sich der Festredner und Historiker Prof. Dr. Christopher Clark widmete. In der Rede war inhaltlich alles drin, der gute Aufbau, die thematische Spannung, immenses historisches Fachwissen. Aber trotzdem wirkte Herrn Clarks Rede nicht so intensiv und packend, wie der Anlass und das Thema es erfordern.

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Gut zu sehen: Der Redner klammerte sich fast ohne Unterbrechung an das Rednerpult wie an die Reling bei stürmischer See. Leicht vorgebeugt, die Hände links und rechts auf dem Pult aufgestützt, las er seine Rede ab. Ja, er hob durchaus oft genug den Kopf und nahm Blickkontakt mit dem Publikum auf. Aber wenn die Körpersprache diesem Augenkontakt nicht folgt, bleibt der Kontakt flach und etabliert sich nie richtig. Das Publikum spürt und fühlt unbewusst, dass etwas fehlt. Nämlich die Begeisterung, eine gewisse Dringlichkeit, die Botschaft rüberzubringen, mit allem, was man als Redner hat. Und zu diesem „Allem“ gehöret, aufrecht und zugewandt zu stehen den Gesten freien Lauf zu lassen! Ist die Gestik lebendig, wird auch die Stimme noch einmal lebendiger und kräftiger, und damit überzeugender. Herr Clark hat durch diese inhaltlich wirklich eindrucksvolle Rede seine hohe Expertise als anerkannter Historiker zwar perfekt belegt. Mitgerissen, aufgerüttelt und gepackt mit seiner Botschaft hat er wohl kaum jemanden, wage ich zu behaupten.

Diese Festrede bestätigt exemplarisch meine Beobachtungen in der Businesswelt: Führungskräfte, CEOs, die offiziell reden, arbeiten mit ihren Assistenten endlos lange an Inhalten. Da wird an einzelnen Sätzen gefeilt, dass es eine Freude ist. Zwei bis drei Korrekturschleifen und –durchgänge sind da keine Seltenheit. Es wird solange daran herumgetüftelt, bis es Zeit ist, auf die Bühne zu eilen. Für eine Vorbereitung der Performance der Rede, des Auftritts selbst, bleibt keine Zeit. Die Redner nehmen ihre Blätter mit und beginnen zu lesen, da sie ja auch keine Zeit hatten, den Inhalt halbwegs zu verinnerlichen. An die überzeugende Gestik, Körpersprache oder etwa gar die Stimme wird kein Gedanke verschwendet. Dabei ist es genau die gekonnte Kombination all dieser Elemente, die Emotion und Überzeugungskraft transportiert. Dabei gilt: Eine nicht so gut geschriebene Rede wird durch eine gelungene Art des Vortrags um Klassen besser werden! Eine auf dem Papier perfekt formulierte Rede wird durch das „begabte Ablesen“ um Klassen schlechter.

Ideal ist natürlich, beides einzubringen. Das sind dann Sternstunden für das Publikum, das einem solchen Vortrag lauschen darf. Deswegen heute der dringliche Aufruf von mir an alle, die öffentlich reden: Nehmen Sie sich immer genug Zeit, Ihre Rede laut sprechend zu proben. Für Sie und Ihre Reputation als Redner, und für Ihr Publikum, das es Ihnen danken wird!

Ihr Arno Fischbacher